Bernmobil: Vollautomatisierte datengetriebene Wartung
Täglich an einer Messanlage gewonnene Daten beinhalten wichtige Informationen über den Zustand der Tramradreifen von Bernmobil. Ein neues, vollautomatisiertes System liefert den Werkstattmitarbeitenden tagesaktuelle Messwerte. Alarme für überschrittene Toleranzgrenzen erlauben eine zeitnahe Überwachung.
Bei Bernmobil, dem Verkehrsunternehmen der Stadt Bern, verkehren täglich auf 5 Strecken bis zu 57 Trams. Im laufenden Betrieb werden unter anderem die Radreifen der Fahrzeuge entsprechend abgenutzt. Damit die Sicherheit der Fahrgäste jederzeit gewährleistet ist und um Wartungskosten des Rollmaterials zu optimieren, werden die Radreifen täglich mit Hilfe der lichtoptischen Messanlage EVA auf ihren Verschleiss hin geprüft. Die gewonnen Daten zu Raddurchmesser und Spurkranzlängen werden dabei in ein SAP-System geladen. Um über den Zustand der Reifen Bescheid zu wissen, mussten in der Vergangenheit einmal monatlich die Daten manuell wieder exportiert werden. Diese wurden dann mittels eines Python-Skripts aufbereitet und in einem rund 900-seitigen Bericht grafisch dargestellt. Der Bericht diente als Grundlage für die Überwachung des Zustands der Radreifen. Die Interpretation dieses Berichtes erforderte jedoch viel Erfahrungswissen und ein ausgeprägtes Verständnis für die betrieblichen Zusammenhänge – es mussten bei jeder Prüfung hunderte Abnutzungskurven von einzelnen Radreifen visuell interpretiert werden. Es geht bei der Kontrolle darum, anhand von Auffälligkeiten bei den Abnutzungskurven zu entscheiden, ob die Reifen adjustiert oder ausgetauscht werden müssen.Tram-Fahrwerke sind teuer. Eine unnötige Abnutzung ist deshalb zu vermeiden. Entsprechend wichtig ist es, Unregelmässigkeiten so früh wie möglich zu erkennen.
Vollautomatisierte Auswertungen
Ziel des Projekts war die vollautomatische Erstellung der Auswertungen, sodass die Messwerte der Überwachung in einem Bericht in Microsoft Power BI zur Verfügung stehen. Dabei sollte das Monitoring mindestens dieselben Auswertungen hervorbringen wie der bestehende Bericht. Um die Kontrolle der Daten zu erleichtern, sollten ausserdem Regeln für Toleranzgrenzen implementiert werden, sodass automatisch Alarm ausgelöst wird, wenn Handlungsbedarf besteht. Fehleranfällige manuelle Auswertungsschritte, respektive die aufwändige Rad-für-Rad-Kurveninterpretation, sollten komplett entfallen.
Datenflüsse
Zur Erreichung dieser Ziele wurde eine Lösung in der Microsoft Azure Cloud angelegt. Diese besteht aus Ressourcen für die Datenbearbeitung und -haltung sowie einem Power-BI-Service für die Visualisierung von Reports und Dashboards. Dabei werden zunächst die neuen Messwerte der Messanlage EVA aus einem CSV-File direkt in einen Azure Blob Storage importiert, zwischengespeichert und von dort in die Azure SQL-Datenbank eingefügt. Von da gelangen die Daten in die ML-Pipeline (Machine Learning), wo sie mittels Python-Code analysiert und aufbereitet werden. Anschliessend werden die Ergebnisse in die Azure SQL-Datenbank geschrieben. Schliesslich werden sie jeweils täglich um 11 Uhr in Power BI geladen und dargestellt.
Geschäftslogik
Als Grundlage für die Berechnung der Daten dient die im PythonCode implementierte Geschäftslogik. Dabei werden RohdatenMesspunkte zunächst auf ihre Plausibilität hin geprüft und nur solche berücksichtigt, die exakt definierte Eigenschaften aufweisen. Diese betreffen die Varianz der Spurkranzbreite, den grössenunterschied zwischen linkem und rechtem Spurkranz, den Raddurchmesser, die Differenz zwischen dem linken und rechten Raddurchmesser sowie Achse 1 und 2 im Fahrwerk, den Kilometerstand des Messpunktes etc. Unvollständige Kombinationen werden herausgefiltert und die Messwerte über den Zeitverlauf aufgrund von besonderen Merkmalen (Kilometerabstand, Reduktion des Reifendurchmessers etc.) auf ihre Plausibilität hin geprüft. Schliesslich dient die Definition besonderer Parameter der Berechnung der Alarme.
Bericht
Der vollautomatisierte Bericht in Power BI enthält drei Seiten. In der Alarmübersicht werden die berechneten Alarme im zeitlichen Verlauf angezeigt. Dabei ist es möglich, Detailinformationen zu jedem Alarm mittels Mausklick anzuzeigen. Alarme können aber auch auf Wunsch per E-Mail empfangen werden, sobald die neuen Daten aus der Datenbank geladen werden. Auf der nächsten Seite des Berichts werden Messwerte der Fahrwerke angezeigt. Hier können die dargestellten Wertebereiche für Raddurchmesser und Spurkranzwerte eingegrenzt und so durch zoomen eine genauere Ansicht generiert werden. Die Messwerte werden mittels Mouseover-Funktion angezeigt. Auf der dritten Seite ist schliesslich in einer Tabelle die Abnützung der Fahrwerke sowie eine Laufzeitprognose dargestellt. Die Detailansicht pro Zeile (Fahrwerk) zeigt den Verschleiss sowie die Laufleistung grafisch visualisiert an. Nach Abschluss der Tests durch die Techniker sowie einem sechsmonatigem Pilotbetrieb erfolgte der Übergang in den produktiven Betrieb.
Fazit
„Der Arbeitsaufwand für die Rollmaterialinstandhaltung wurde extrem reduziert. Ausserdem ist das Arbeiten viel einfacher“, sagt Michael Aufdenblatten, Projektleiter Tram bei Bernmobil. Die übersichtlichen Darstellungen erlaubten Informationen zu den letzten vier verwendeten Radreifensätzen auf einen Blick – ein Novum, wie er betont. Mit Algorithmen werden jetzt automatisch Anomalien identifiziert und der Techniker benachrichtigt, sodass dieser gezielt den Zustand prüfen und Wartungsprozesse einleiten kann. Ganz allgemein wird die Zeit für die Datenkontrolle durch die Relevanzklassifizierung verringert: „Das neue System erleichtert dank seiner Einfachheit und der gestiegenen Transparenz die für die Wartung der Radreifen nötigen Entscheidungen erheblich.“ Ausserdem sei die Beratung bei IT-Logix in einer für ihn als nicht gelernten Informatiker verständlichen Sprache erfolgt. „Ich bin sehr zufrieden.“ Und IT-Projektleiter Mathias Scherz ergänzt: „Mit IT-Logix als Partner konnte die Lösung schnell sehr gut in die bestehende Infrastruktur integriert werden.“
Kurzbeschrieb des Projekts
Ausgangslage
Die Messwerte, welche über die Messanlage täglich gewonnen werden, liefern Bernmobil wichtige Informationen über den Zustand der Tramradreifen.
Lösung
Die Lösung besteht aus Ressourcen aus der Microsoft Azure Cloud für die Datenbearbeitung und -haltung, der Microsoft Azure ML-Komponente (Machine Learning) für die Algorithmik sowie dem Microsoft Power BI Service für das Reporting / Dashboarding.
Nutzen
Die Messwerte werden neu täglich vollautomatisch in einem Bericht in Power BI aktualisiert zur Verfügung gestellt. Ausserdem sind Monitoring-Regeln implementiert, welche Alarme auslösen, falls Toleranzgrenzen überschritten werden. Es entfallen manuelle Auswertungsschritte und durch die täglich aktualisierten Alarme sind ein zeitnahes Monitoring und Einleiten von Wartungsarbeiten möglich.
Highlights
- Erfüllung der Ziele hinsichtlich Infrastruktur, ML-Pipeline,
- Datenmodellierung, Bericht in Power BI
- Automatisierte Datenauswertung
- Verringerung der Zeit für Datensichtung dank
- Relevanzklassifizierung
- Zugang zu den Daten für grössere Nutzergruppen
- Technologie und Produkte
- Microsoft Azure Blob Storage
- Microsoft Azure SQL DB
- Microsoft Azure Data Factory
- Microsoft Azure Machine Learning
- Microsoft Power BI Service
- Python (Programmiersprache)